Matrix

Faszinierendes wie düsteres Science-Fiction Meisterwerk der Wachowski-Brüder mit bahnbrechenden Spezialeffekten. Matrix schafft es wie kein zweiter Science-Fiction Film, einen deart in seine dystopische Welt zu ziehen, dass man zwangsweise die eigene Realität hinterfragen muss.
Bewertung:

Erscheinungsjahr: 1999
Genre: Science-Fiction, Dystopie
Filmdauer: 131 min.
Altersfreigabe: FSK: 16
Regie: Wachowski-Brüder
Schauspieler: Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Carrie-Anne Moss, Hugo Weaving
Produktionsland: USA, Australien

Matrix Filmcover

Matrix Kritik

Den Wachowskis wurde immer wieder vorgeworfen, dass sie kein in sich schlüssiges Werk geschaffen haben und der Rätsel ratenden Fangemeinschaft auch keine Interpretationshilfe bieten. Viele sind von den beiden Fortsetzungen enttäuscht gewesen und sehen in ihnen nichts weiter als einen mit Special Effects voll gestopften Actionfilm mit pseudo-philosophischen Ansätzen.

Der erste Matrix-Film hat mich geprägt wie wohl kein anderer Film und auch ich war zunächst enttäuscht von den beiden Sequels, weil zuviele Fragen offen geblieben waren und ich das Werk in seiner Gesamtheit nie richtig erfassen konnte. Das war aber auch zugleich das, was die Trilogie so auszeichnet. Es gibt so viele unterschiedliche
Interpretationsmöglichkeiten. Ich las etwas über eine Matrix in der Matrix-Theorie, welches die Tatsache erklären sollte, dass Neo die Maschinen am Ende des 2.Teils in der realen Welt aufhalten konnte. Aber mit den meisten Theorien wurde ich nicht warm – bis ich eine rote Pille entdeckte, die mich tiefer und tiefer in den Kaninchenbau bringen sollte…

Was ist die Matrix? – check:

“The Matrix is structured like a building. It rests atop a foundation that is built upon a substructure.”
– The Wachowskis

In diesen zwei Sätzen fassen die Wachowskis das zentrale Konstruktionsprinzip der Matrixtrilogie inklusive all ihrer Ausleger zusammen. In den schriftlichen und verbalen Äußerungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, finden sich zahlreiche zusammenfassende richtungsweisende Aussagen. Besonders hervorzuheben ist die „Ultimate Matrix Collection“. Der Begleittext und das Literaturverzeichnis richten die Aufmerksamkeit auf eine Reihe von Themen, die in den Filmen eine Rolle spielen. Die Grundrichtung und damit der thematische Fokus für die Analyse ergibt sich aus dem Audiokommentar des Philosophen Ken Wilber. Entscheidend dabei ist die Tatsache, dass Wilber durch Gespräche mit Larry Wachowski weiß, welches Ansinnen die Wachowskis mit der Trilogie verfolgten.

Die Filme präsentieren sich als moderne Mythologie: als den Versuch etwas, das von außen nicht beobachtet werden kann und damit unergründlich und rätselhaft bleibt, in Form einer episch-mythologischen Erzählung zu erforschen. Matrix erzählt die Geschichte eines einzelnen menschlichen Bewusstseins – betrachtet von der Innenseite. Die gesamte Geschichte ist eine Metapher für interne Bewusstseinsprozesse! Es wird von einem Bewusstsein berichtet, dass sich in Aufruhr befindet; es ringt um die Antwort auf eine Frage, der Frage nach der eigenen Selbstdefinition, die sich nur eine selbstreflexive Lebensform stellen kann: Was ist das Bewusstsein? Wie verhält es sich zur Materie? Gibt es jenseits der materiellen Wirklichkeit noch eine immaterielle? Welchen Ursprung hat es? Wird es ohne seine materielle Trägersubstanz weiter existieren? Ist es eine reine Reiz-Reaktionsmaschine oder gibt es einen freien Willen? Wieso empfindet es Gefühle?

In Matrix symbolisiert

  • die Farbe grün (= die Matrix) den Verstand,
  • die Farbe blau (= die reale Welt, besonders Zion) den Körper / die Materie und
  • die Farbe gold (= die Maschinen / die Maschinenstadt) den absoluten Geist.

Zion, die Matrix und die Stadt der Maschinen: Die drei zentralen Handlungsorte von Matrix sind Metaphern für die drei Dimensionen des Bewusstseins: Körper, Verstand und Geist. Die Maschinen symbolisieren den Geist, die Ebene des Immateriellen. Sie repräsentieren die Verbindung des Materiellen mit dem Immateriellen, dem Göttlichen in der Materie. Die Ebene des reinen Geistes, ohne jegliche Verbindung zum Materiellen, zeigen die Wachowskis zweimal:
Zu Beginn von Revolutions, in einer Schöpfungsszene und als es Neo und Trinity gelingt, das abgeschlossene System des Matrix-Kosmos für einen Moment zu verlassen.
In Vergangenheit und Gegenwart haben viele Menschen versucht, die eigene Begrenztheit zu überwinden und eine Verbindung zum Göttlichen aufzubauen. Die Maschinen in Matrix haben dies erreicht; sie selbst haben ihre eigene Evolution vorangetrieben – und Evolution ist Geist in Aktion. Sie ist ein Transzendenzprozess: Die Maschinen transzendieren ihre materielle Beschaffenheit und erlangen eine Verbindung zu einer höheren Ebene.
Nur Neo hat die Fähigkeit, das Ergebnis dieser Entwicklung zu sehen. Durch seine Erblindung hat er die Fähigkeit verloren, das Beobachtbare wahrzunehmen, die materielle Oberfläche ist für ihn nicht mehr erkennbar. Er gewinnt dafür die Fähigkeit, die unterhalb der Oberfläche liegende Realität jenseits des Beobachtbaren zu erkennen.
Die einzelnen Bestandteile des Szenarios im ersten Bild lösen sich im zweiten in einem Akt der Selbsttranszendenz auf; sie überwinden die Begrenztheit ihrer eigenen materiellen Existenz. Die Wellen fließen durch diesen Tunnel aus Licht, ungehindert der Grenzen der ihn konstituierenden materiellen Bestandteile. So wie einzelne Ameisen oder Fische in Staaten oder Schwärmen wie ein einziger Organismus erscheinen, so wird hier aus der Summe der insektenartig dargestellten Maschinen eine Einheit, eine höhere Form der Existenz. Die neue Ganzheit ist mehr als die Summe ihrer Bestandteile. Neo erlebt Transzendenz im Immanenten. Das Unbeobachtbare wird durch die Augen Neos beobachtbar, das Immaterielle erkennbar im Materiellen.

Warum Maschinen? Warum symbolisieren ausgerechnet kalte programmierte Maschinen in der Matrix-Trilogie die Verbindung von Geist und Materie?
Den Konflikt zwischen Menschen und Maschinen, den die Oberfläche thematisiert, reinterpretiert der Subtext. Er stellt die Frage: Wie viel Maschine steckt im Menschen?
Oder umgedreht: Wie viel „Mensch“ steckt in der Maschine? Wenn die Wachowskis Maschinen mit einer Gottesverbindung kreieren, Maschinen, die Liebe empfinden und an Karma glauben, dann existiert das Gefühl von Gottesnähe, die Wahrnehmung von Liebe und der Glaube an einen Sinn der eigenen Existenz losgelöst von der menschlichen Trägermasse.
Die Idee von spirituellen Maschinen ist ein Gegenentwurf zur Idee des Menschen als Automaten. Nicht Materie formt den Geist, der Geist formt die Materie.

„It’s the question that drives us mad. It’s the question that brought you here.
You know the question just as I did.“
„What is the Matrix?“
Trinity & Neo

Anders als die Repräsentation des Geistes durch die Maschinen ist die Idee leicht nachvollziehbar, dass die Matrix eine Metapher für den menschlichen Verstand ist. Die Parallelen sind offensichtlich: Unser Verstand und die Matrix sind immaterielle, virtuelle Welten, deren Existenz nur auf Gedanken basiert.
Wiederum parallelisieren die Wachowskis die zwei konkurrierenden Deutungen der Wirklichkeit: Die Summe der angeschlossenen Gehirne formen das Ganze der Matrix, das Ganze ist mehr als die Summe ihrer Bestandteile. Im menschlichen Verstand als Teil des Bewusstseins spiegelt sich der absolute Geist, der Anbeginn und das Ziel der Evolution, der schließlich auch im Inneren des umkämpften Bewusstseins zur Entfaltung kommen wird.

Die materielle Grundlage des Bewusstseins, den menschliche Körper, symbolisiert Zion. Wiederum: Zwei Interpretationen kontrastieren sich gegenseitig.
Tanz und Sex sind in Reloaded nicht zwei Geschehen, die zufällig parallel ablaufen, sondern als Einheit zu verstehen. Zusammen betrachtet zeigen sie ein massenekstatisches Ereignis. Sex basiert auf Körperlichkeit und transzendiert sie zugleich. Der Körper und das Absolute werden eins.
Diese Botschaft senden die Menschen den Maschinen entgegen, die kommen, um den menschlichen Körper in das zu verwandeln, was er dem Materialismus zufolge ist: eine Maschine. Die Schlacht um Zion interpretiert die Deutung des Menschen als Maschine in einer materialistische Hölle.

Die Wachowskis erzählen mit der Matrixtrilogie die Geschichte eines Bewusstseins in Aufruhr. Es stehen sich gegenüber: Rationalismus, Kausalität, Dogmatismus und Nihilismus auf der einen Seite und der Glaube an eine immaterielle Basis des Seins sowie Liebe als elementare Wahrnehmung auf der anderen. Gruppiert um die Dimensionen des Bewusstseins – Körper, Verstand und Geist – fechten sie einen Kampf aus, bei dem es um alles geht. Die elementarsten Grundlagen der Realitätskonstruktion stehen im Begriff zu fallen; das Bewusstsein verliert sein Gleichgewicht, es droht an der Ungewissheit und Haltlosigkeit eines dauerhaften Ungleichgewichts zugrunde zu gehen – wäre da nicht der Auserwählte, der das Destruktive beendet und die drei Dimensionen des Bewusstseins neu zueinander ordnet und ein neues Gleichgewicht kreiert.

To be continued in Matrix Reloaded…

Matrix Trailer